Einleitung
Buch 1: Der Text

Über das Orakelnehmen

a) Das Schafgarbenorakel

Das Orakel wird befragt mit Hilfe von Schafgarbenstengeln. Zum Wahrsagen gehört die Zahl von 50 Stengeln. Davon wird einer beiseitegesteckt und kommt weiter nicht in Betracht. Die übrigen 49 Stengel werden zunächst in zwei Haufen geteilt. Darauf nimmt man vom Haufen rechts einen Stengel und steckt ihn zwischen Goldfinger und kleinen Finger der linken Hand. Darauf nimmt man den linken Haufen in die linke Hand und nimmt mit der rechten Bündel von je vier Stengeln weg, bis vier oder weniger Stengel übrigbleiben. Diesen Rest steckt man nun zwischen Gold- und Mittelfinger der linken Hand. Darauf wird in derselben Weise der rechte Haufen durch- gezählt und der Rest zwischen Mittel- und Zeigefinger der linken Hand gesteckt. Die Summe der zwischen den Fingern der linken Hand befindlichen Stengel ist nun entweder 9 oder 5 (die verschiedenen Möglichkeiten sind 1+4+4 oder 1+3+1 oder 1+2+2 oder 1+1+3; daraus ergibt sich, daß die Zahl 5 leichter zu erreichen ist als 9). Beim ersten Durchzählen der 49 Stengel bleibt der erste Stengel zwischen kleinem und Goldfinger als überzählig außer Berechnung. Man rechnet daher 9 = 8 und 5 = 4. Die Zahl Li bedeutet nun eine volle Einheit, der der Zahlenwert 3 zugemessen wird. Die Zahl 8 dagegen bedeutet eine Doppeleinheit und wird nur mit dem Zahlenwert 2 berechnet. Hat man also beim ersten Durchzählen 9 Stengel übrig, so zählen sie 2, hat man 5 übrig, so zählen sie 3. Diese werden zunächst beiseitegelegt.

Nun werden die beiden Haufen, die übrig sind, wieder zusammengenommen und aufs neue abgeteilt. Wieder nimmt man von der rechten Hälfte einen Stengel und steckt ihn zwischen kleinen und Goldfinger der linken Hand und verfährt dann mit dem Durchzählen wie zuvor. Diesmal bekommt man als Summe des Restes entweder 8 oder 4. (Nämlich

1+4+3 1+1+2
oder 1+3+4 oder 1+2+1
= 8 = 4

so daß diesmal die Chancen zwischen 8 und 4 dieselben sind.) 8 zählt 2 und 4 zählt drei.

Mit dem übriggebliebenen Haufen verfährt man darauf ein drittes Mal wie zuvor und erhält als Summe des Restes ebenfalls 8 oder 4. Nun wird aus dem Berechnungswert der drei Restsummen ein Strichelement aufgebaut.

Ist die Summe 5 (= 4, Wert 3) + 4 (Wert 3) + 4 (Wert 3), dann ergibt sich die Zahl 9, d. h. das sogenannte alte Yang. Das wird ein positives Strichelement, das sich bewegt, also für die Einzeldeutung in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit -e- oder O.

Ist die Summe 9 (= 8, Wert 2) + 8 (Wert 2) + 8 (Wert 2), so ergibt sich die Zahl 6, d. h. das sogenannte alte Yin. Das wird ein negatives Strichelement, das sich bewegt, also für die Einzeldeutung in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit -x- oder x.

Ist die Summe9 (2) + 8 (2) + 4 (3)\ 
 oder 5 (3) + 8 (2) + 8 (2) > = 7
 oder 9 (2) + 4 (3) + 8 (2)/ 

so ergibt sich die Zahl 7, d. h. das sogenannte junge Yang. Das wird ein positives Strichelement, das ruht, also für die Einzeldeutung nicht in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit ---.

Ist die Summe9 (2) + 4 (3) + 4 (3)\ 
 oder 5 (3) + 4 (3) + 8 (2) > = 8
 oder 5 (3) + 8 (2) + 4 (3)/ 

so ergibt sich die Zahl 8, d. h. das sogenannte junge Yin. Das wird ein negatives Strichelement, das ruht, also für die Einzeldeutung nicht in Betracht kommt. Es wird bezeichnet mit - -. Indem dieser Prozeß im ganzen sechsmal vorgenommen wird, baut sich ein sechsstufiges Zeichen auf. Wenn dieses Zeichen aus lauter ruhenden Strichelementen besteht, so kommt für das Orakel nur die Gesamtidee des Zeichens in Betracht, wie sie in dem "Urteil" des Königs Wen und dem ""Kommentar zur Entscheidung" des Kungtse zum Ausdruck kommt. Ferner noch das Bild des Zeichens und die dem Bild beigefügten Textworte.

Finden sich in dem so gewonnenen Zeichen ein oder mehrere bewegte Striche. so kommen außerdem die vom Herzog von Dschou diesem Strich beigefügten Worte in Betracht. Daher haben diese die Überschrift: 9 auf x-tem Platz oder 6 auf x-tem Platz.

Außerdem entsteht durch die Bewegung, d. h. Wandlung[1] der Striche ein neues Zeichen, das mit seinem Sinn ebenfalls in Betracht zu ziehen ist.

Wenn z. B. das Zeichen Attach:32-lue.jpg Δ gezogen wird, dessen vierter Strich sich bewegt , so wird außer dem Text und Bild dieses Zeichens im Ganzen der dem vierten Strich beigegebene Text in Betracht kommen und dann noch außerdem der Text und das Bild des Zeichens Attach:33-gen.jpg Δ; und zwar wäre dann das Zeichen Attach:32-lue.jpg Δ der Ausgangspunkt, von dem aus durch die Lage der 9 auf 4. Platz und den beigefügten Rat die Endsituation Attach:33-gen.jpg Δ sich entwickelt. In dem zweiten Zeichen kommt der Text des bewegten Strichs nicht in Betracht.

b) Das Münzenorakel

Außer der Methode des Schafgarbenorakels ist auch eine abgekürzte Methode mit Münzen im Brauch, zu der in der Regel alte chinesische Bronzemünzen, die in der Mitte ein Loch haben und auf der einen Seite Schrift zeigen, verwandt werden. Man nimmt dabei drei Münzen, die gleichzeitig geworfen werden. Ein Wurf gibt eine Linie. Schrift gilt als Yin und zählt 2, die andere Seite gilt als Yang und zählt 5. Hieraus ergibt sich dann der Charakter der betreffenden Linie. Sind alle drei Münzen Yang, So ist es eine Neun, sind alle drei Münzen Yin, so ist es eine Sechs. Zwei Yin und ein Yang ergeben eine Sieben, zwei Yang und ein Yin ergeben eine Acht. Beim Aufsuchen der Zeichen im Buch der Wandlungen verfährt mam wie beim Schafgarbenorakel.

Es gibt noch eine andre Art des Münzorakels, wobei außer den I Ging Zeichen auch noch die fünf Wandelzustände, die zyklischen Zeichen usw. verwandt werden und die von chinesischen Wahrsagern angewandt wird. Diese Art benützt aber nicht den Text der Zeichen des I Ging. Es heißt, sie sei eine Fortsetzung des alten Schildkrötenorakels, das im Altertum neben dem Schafgarbenorakel gefragt wurde, das aber durch den I Ging, den Kungtse rationaler gestaltet hatte, allmählich verdrängt worden ist.



Anmerkungen


[1] Durch Bewegung oder Wandlung entsteht aus einem starken ein schwacher und aus einem schwachen ein starker Strich.