Spiel nicht mit den Schmuddelkindern

Franz Josef Degenhardt / Franz Josef Degenhardt (1965)

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Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder,
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geh doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brü- ü- ü- der!
 
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So sprach die Mutter, sprach der Vater, lehrte der Pastor,
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er schlich aber immer wieder durch das Gartentor,
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und in die Kaninchenställe, wo sie Sechsundsechzig spielten
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um Tabak und Rattenfelle, Mädchen unter Röcke schielten.
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Wo auf alten Bretterkisten Katzen in der Sonne dösten,
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wo man, wenn der Regen rauschte, Engelbert, dem Blöden, lauschte,
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der auf einen Haarkamm biss, Rattenfängerlieder blies.
 
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Abends am Familientisch, nach dem Gebet zum Mahl,
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hieß es dann:„Schon wieder riechst du nach Kaninchenstall!“
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder, 
geh doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brü-ü-ü-der! 
 
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Sie trieben ihn in eine Schule in der Oberstadt,
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kämmten ihm die Haare und die krause Sprache glatt.
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Lernte Rumpf und Wörter beugen und statt Rattenfängerweisen
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musste er das Largo geigen und vor dürren Tantengreisen
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unter roten Rattenwimpern par coeur Kinderszenen klimpern,
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und, verklemmt in Viererreihen, Knochen morsch und morscher schreien,
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zwischen Fahnen aufgestellt, brüllen, dass man Freundschaft hält.
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Schlich er manchmal abends zum Kaninchenstall davon,
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dann hockten da die Schmuddelkinder, sangen voller Hohn.
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder, 
geh doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brü-ü-ü-der! 
 
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Aus Rache ist er reich geworden, in der Oberstadt,
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da hat er sich ein Haus gebaut, nahm jeden Tag ein Bad.
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Roch, wie bessre Leuten riechen, lachte fett, wenn alle Ratten
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ängstlich in die Gullys wichen, weil sie ihn gerochen hatten.
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Und Kaninchenställe riss er ab, an ihre Stelle
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ließ er Gärten für die Kinder bauen, liebte hochgestellte Frauen,
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schnelle Wagen und Musik, blond und laut und honigdick.
 
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Kam sein Sohn, der Nägelbeißer, abends spät zum Mahl,
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dann roch er an ihm, schlug ihn, schrie: „Stinkst nach Kaninchenstall.“
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder, 
geh doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brü-ü-ü-der! 
 
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Und eines Tages hat er eine Kurve glatt verfehlt,
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man hat ihn aus einem Ei von Schrott herausgepellt.
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Als er später durch die Straßen hinkte, sah man ihn an Tagen
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auf 'nem Haarkamm Lieder blasen, Rattenfell am Kragen tragen.
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Hinkte hüpfend hinter Kindern, wollte sie am Schulgang hindern,
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und strich um Kaninchenställe, eines Tags, in aller Helle,
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hat er dann ein Kind betört und in einen Stall gezerrt.
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Seine Leiche fand man, die im Rattenteich 'rum schwamm,
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und d'rum herum die Schmuddelkinder bliesen auf dem Kamm:
Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder, 
geh doch in die Oberstadt, mach’s wie deine Brü-ü-ü-der! 


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