Der Tankerkönig
Hannes Wader/Hannes Wader: 7 Lieder (1972)
Arr.: Hans D. Behrens
C / F / C / / / G / / / G / / /
C / F / C / / / G / / / G / / / C | | |
C / F / C / / / G / / / G / / / (Vorspiel) |-----------------|
F / / / C / A / D / / / G / / / |-----------------|
C / / / E / / / F / / / C / A / |-----------------|
D7/ / / D7/ / / + 8 Basstoene |-----------------|
C / F / C / / / G / / / G / / / |---------0---2---|
C / F / C / / / G / / / G / / / |-----3-----------|
| 3x "A" |
C | F | C | | | G | | | G | | |
|-----0-----1-----|-0-----0---0-----|-----------------|-----------------|
|-------1-3-------|-----------------|-----0-----0-----|-----------------|
|-----------------|-----------------|-------0---------|-----------------|
|-----2---------3-|-----2-------2---|-----0-------0---|-----0-----------|
|-3---------------|-3-------3-------|-----------------|---------0---2---|
|---------1-------|-----------------|-3-------3-------|-3---------------|
C | | | F | | | C | A |
|-----------------|-1-----1---------|-0-----0---------|
|-----------------|-----------1-----|---1-------2-----|
|-----------------|-----------------|-----0-------2---|
|--------0---2----|-----3-------3---|-----------------|
|3---4------------|-----------------|-3-------0-------|
|-----------------|-1-------1-------|-----------------|
D | | | G | | | C | | | E | | |
|-2-----2---------|-3---1---0-------|-0-----0---------|-0-----0---------|
|---3-------3-----|-------------3---|---1-------1-----|---0-------0-----|
|-----2-------2---|-----------------|-----0-------0---|-----------------|
|-----------------|-----0-------0---|-----------------|-----2-------2---|
|-0-------0-------|-----------------|-3-------3-------|-----------------|
|-----------------|-3-------3-------|-----------------|-0-------0-------|
F | | | C | A | D7 | | | D7 | | |
|-1-----1---------|-0-----0---------|-------0---------|-------0---------|
|-----------1-----|---1-------2-----|-3---------3-----|-3---------3-----|
|-----------------|-----0-------2---|---5-------------|---5-------------|
|-----3-------3---|-----------------|-----4-------4---|-----4-------4---|
|-----------------|-3-------0-------|-5-------5-------|-5-------5-------|
|-1-------1-------|-----------------|-----------------|-----------------|
bass | | | | | | | | | C | | |
|-----------------|-----------------| | | |-0---------------|
|-----------------|-----------------| | 2 x | |-1---------------|
|-----------------|-----------------| | "A" | |-0---------------|
|-----------------|-----0---1---2---| | | |-2---------------|
|-----0---2---3---|-4---------------| | | |-3---------------|
|-3---------------|-----------------| | | |-----------------|
| Es war an einem Morgen im Frühjahr, als ich meinen ersten Anfall bekam. | |
| ich hatte so ein bisschen über mich und mein Leben nachgedacht, dass | |
| mir plötzlich speiübel davon wurde und irgend etwas drückte mir den | |
| Hals so zu, dass ich dachte, ich würde ersticken. | |
| Ich stürzte auf die Straße, schnappte wie ein Irrer nach Luft, aber es | |
| kam noch viel schlimmer. Mir wurde schwindelig, ich drehte mich zehnmal | |
| um mich selbst, und dachte, alle Leute zeigten mit dem Finger auf mich, | |
| bis ich dann merkte, dass ich gar nichts anhatte. Ich rannte und | |
| rannte, fand dann ein offenes Parterrefenster, kletterte rein, und | |
| verkroch mich zitternd vor Angst und Kälte in irgendeine Ecke. | |
| Es dauerte eine ganze Weile bis ich merkte, dass ich mich in einem | |
| Trödelladen befand. Der ganze Raum hing voll mit alten Klammotten und | |
| ich zog mir sofort eine Pluderhose, Stulpenstiefel und ein Kettenhemd | |
| an, hängte mir noch eine Armbrust über die Schulter und fühlte mich | |
| augenblicklich wieder gelassen und unangreifbar. Ich marschierte über | |
| die Straße und stand dann plötzlich vor dem Personaleingang des | |
| Kaufhauses, wo ich bis dahin die Papierverbrennungsanlage bedient | |
| hatte. Als ich das sah, wurde mir schlecht vor Wut. Ich rannte den | |
| Pförtner über den Haufen, riss sämtliche Telefonkabel ab, brach die | |
| Stempeluhr aus der Wand, und tobte weiter in die Verkaufsräume. | |
| Als ich in die Spielwarenabteilung kam, stand der erste Verkäufer | |
| wieder einmal vor dem Stützpfeiler, halb verborgen auf der Leiter, um | |
| die Kinder besser beim Klauen erwischen zu können. Die liefert er dann | |
| immer der Geschäftsleitung aus, und kassiert dafür 'ne dicke Prämie pro | |
| Nase. Sein dreckiges Grinsen als er mich sah, brachte mich so auf, dass | |
| ich, ohne zu zielen, meine Armbrust auf ihn abdrückte, und der Bolzen | |
| fuhr ihm dicht am Hals vorbei durch den Anzugkragen und nagelte ihn am | |
| Pfeiler fest. Ich trat die Leiter unter ihm weg, und ließ ihn hängen | |
| wie einen Schluck Wasser. Und während er zappelte und schrie, schmiss | |
| ich eine Stellage nach der anderen um und verteilte das Spielzeug an | |
| Und mitten im größten Tumult tauchte der Chef des Hauses auf und | |
| zischte mich an: "Was machen Sie denn da? Sofort kommen Sie mit in mein | |
| Büro, sie Idiot!" Ich spannte nur die Armbrust und sagte: "Leck mich | |
| doch am Arsch du Motherfucker, Hände hoch und vorwärts!" Er sah den | |
| Verkäufer am Pfeiler baumeln und wurde leichenblass. Ich schubste ihn | |
| in den Lastenfahrstuhl, ohne dass die Kunden deswegen stutzig wurden, | |
| die das ganze für 'ne Werbeaktion hielten, fuhr mit ihm runter in den | |
| Keller in die Papierverbrennung, gab ihm einen Tritt, und er flog durch | |
| das riesige Ofenloch mitten ins Feuer. als draußen die Polizeisirenen | |
| heulten, war schon nichts mehr von ihm übrig. | |
| Ich rannte nach draußen, warf die Armbrust weg, schwang mich auf ein | |
| herrenloses Damen-Fahrrad und jagte quer durch die City zum | |
| Ortsausgang. Nach einer Stunde Fahrt fiel ich, halbtot vor Erschöpfung, | |
| vom Rad und schlief unter einem Gebüsch ein. Am nächsten Morgen war es | |
| eisig kalt, und mit der Kälte kam die Angst. Ich hatte eine | |
| Führungskraft umgebracht. Jetzt würde man mich überall suchen und | |
| hetzen. Und in meiner Panik wühlte ich mich immer tiefer und tiefer in | |
| den Wald, und gegen Mittag fand ich einen verlassenen Luftschutzbunker. | |
| Die Tür war offen, und in einer Ecke lag eine Maschinenpistole in | |
| Ölpapier gewickelt, und eine Kiste Munition. | |
| Ich setzte die Waffe zusammen. sie funktionierte, und ich fühlte mich | |
| sofort wieder unbesiegbar. Ich beschloss, mich im Bunker einzurichten | |
| und mir gleich Vorräte zu beschaffen, um in meiner Illegalität | |
| überleben zu können. Noch am selben Tag knackte ich drei Banken. Ich | |
| zwängte mich jedes mal mit dem Fahrrad durch die Tür, drehte eine runde | |
| im Schalterraum, feuerte mit der MP in die Decke dass der Kalk nur so | |
| spritzte, und schrie: "Ich bin der Rattenfänger von Hameln, wo sind | |
| hier die Mäuse?" Als ich auf diese Weise hunderttausend Mark zusammen | |
| hatte, ging ich noch schnell in den Supermarkt einkaufen und erreichte | |
| dann auf Schleichwegen wieder meinen Bunker. | |
| Ich blieb so lange unsichtbar, bis keine Zeitungsmeldungen mehr über | |
| mich erschienen; beschaffte mir dann nach und nach alles, was ich | |
| brauchte, und verlebte ein paar sehr ruhige Monate. Ich pflanzte Hanf | |
| im Blumenpott, rauchte ab und zu einen Joint, schaukelte bei sonnigem | |
| Wetter in meiner Hängematte, und hörte, die MP auf dem Bauch, die | |
| Hitparade im Kofferradio und war glücklich. Aber, wie alle glücklichen | |
| Leute, war ich nach 'ner Weile schon nahe am Verblöden. Um dem | |
| entgegenzuwirken, schrieb ich zentnerweise Leserbriefe und badete ab | |
| und zu in einem eingezäunten See, der in der Nähe lag, und dem | |
| Eines Mittags also, ich saß da ganz ruhig mit meiner MP im Wasser, | |
| stand da plötzlich einer vor mir in Hemdsärmeln, grüner Schürze, | |
| Strohhut, Spaten über der Schulter, und meinte, das wäre | |
| Privateigentum. Wo wir denn hinkämen, wenn alle das machen würden. Ich | |
| sagte, "Ja, wenn alle das machen würden, dann wäre der Tankerkönig bald | |
| weg vom Fenster mit Blick auf den See." Ich fragte ihn, ob er es denn | |
| nötig hätte, für den Tankerkönig den Büttel zu machen. Meint er doch, | |
| "Ich bin nicht der Gärtner, ich bin der Tankerkönig." Ich sagte: "Das | |
| ist doch nicht zu fassen, den Gärtner entlassen, die Dahlien selber | |
| begießen, und das Geld für sich arbeiten lassen, damit ist jetzt | |
| Ich wollte sofort abdrücken, brachte es dann aber doch nicht fertig, | |
| und stattdessen zwang ich ihn einen Joint zu rauchen, so groß wie ein | |
| Ofenrohr. Ich sagte, "So, und jetzt will ich mal sehen, wie Milliardäre | |
| so leben." Wir gingen die paar hundert Meter bis zu seiner Villa, und | |
| als wir ankamen, war er schon so high wie ein Weltmeister. er taumelte | |
| vor mir her in eine riesige Diele, auf eine erlesen Sitzecke zu, wo die | |
| Tankerkönigin saß und döste, so ein Hündchen im Arm, mit blauer | |
| Schleife und rosa Arschloch. Sie murmelte, ohne die Augen zu öffnen: | |
| "Rudi, bist du es? Denk dir, Ari Onassis hat uns eingeladen zur | |
| Der Tankerkönig glotzte seine Frau erst an, als wenn er gar nichts | |
| begriffen hätte; fing dann an, um sie herumzutanzen, äffte ihre Stimme | |
| nach: Mit Ari auf Safari!" Die Tankerkönigin riss die Augen auf, sah | |
| uns, und flüchtete kreischend die Treppe 'rauf. Der Tankerkönig angelte | |
| sich die antike Streitaxt von der Wand und rannte "Arisafari" | |
| hinterher. ich dachte, das Schauspiel guckst du dir von draußen an. ich | |
| setzte mich in die Hollywoodschaukel. und da sah ich auch schon den | |
| Tankerkönig aus der Dachluke kriechen, die blutige Axt in der Hand | |
| breitete er die Arme aus, sprang, und landete "Klatsch" direkt vor | |
| Ich ging erst mal zurück zum Bunker und legte mich Schlafen. Am | |
| nächsten Morgen hörte ich dann die Nachrichten. Die halbe Welt stand | |
| Kopf, es war auch von mir die Rede. Die Tankerkönigin hatte ausgesagt, | |
| ihr Mann hätte mit seiner Axt nicht sie, sondern das Hündchen | |
| erschlagen. Und man sprach von einer wirtschaftspolitischen | |
| Katastrophe, die der Tod des Tankerkönigs ausgelöst hätte. und weiter | |
| hieß es, die gesamte Landespolizei, und eine Bundeswehreinheit | |
| beteilige sich mit Suchhunden, Peilgeräten, Hubschraubern und Panzern | |
| an der Fahndung nach dem geisteskranken Mörder mit dem Kettenhemd und | |
| Mir wurde ganz mulmig zumute und ich verrammelte die Bunkertür hinter | |
| mir und traute mich wochenlang nicht heraus. Nach einer Weile fühlte | |
| ich mich so elend und einsam, dass ich schon anfing, mit mir selbst zu | |
| reden. Ich brauchte unbedingt einen Menschen, mit dem ich sprechen | |
| konnte. aber einen, der das mit dem Tankerkönig auch verstehen würde. | |
| Und ich kannte keinen. Aber dann hatte ich eine Idee. wenn schon kein | |
| Lebender da war, warum sollte ich dann nicht mit einem Toten reden. | |
| Also schlich ich nach Mitternacht aus dem Wald in den nächsten Ort. Ich | |
| kannte da ein Haus, in dem regelmäßig spiritistische Sitzungen | |
| stattfanden. Und ich hatte auch Glück: die Sitzung war in vollem Gange. | |
| Ich stieß die Tür mit dem Fuß auf, die MP in der Hand, und rief:" nur | |
| keine Panik meine Herrschaften, und Hände auf den Tisch." aber kaum | |
| hatten die die Hände auf der Platte, fing der Tisch an zu wackeln, hob | |
| sich wie von selbst, und schwebte dann einen Meter über dem Fußboden. | |
| Ich sagte: "Kinder, macht doch keinen Quatsch! Hände hoch, über'n | |
| Kopf!" Sofort flogen die Hände in die Luft und der Tisch krachte wieder | |
| auf den Boden. Ich sagte: "So, wer von euch ist hier der Oberdruide, | |
| mach mir mal 'ne Verbindung mit Che Guevara. Ich will endlich mal mit | |
| einem vernünftigen Menschen reden." Erst wussten die gar nicht so | |
| richtig, wen ich da meinte, gaben sich aber sehr viel Mühe. | |
| Endlich knackte es in der Leitung, und ich hörte Che Guevaras Stimme: | |
| "Was wollt Ihr von mir?' Ich sagte, wer ich war, und was ich | |
| angerichtet hatte, und dass ich einen Rat brauchte. und die Stimme | |
| fragte mich, etwas ärgerlich, was das den solle, und ob ich noch nie | |
| was vom organisierten Klassenkampf gehört hätte. Ich sagte nee, hätt' | |
| ich nicht. Die Stimme schwieg dann einen Augenblick und sprach dann | |
| wesentlich freundlicher und tröstender weiter. Ja, da wäre mir nur sehr | |
| schwer zu helfen, ich wäre krank, und ich sollte doch am besten mal zum | |
| Total deprimiert kroch ich zurück zum Bunker, als ich schon von weitem | |
| die Blechbüchsen klappern hörte, die am Alarmdraht hingen, den ich um | |
| mein Versteck gespannt hatte. Vor Schreck an allen Gliedern zitternd, | |
| ging ich dahin, und sah einen VW da stehen, mit einem nackten Pärchen | |
| auf dem Vordersitz. die Stoßstange hatte sich in der Alarmleitung | |
| verhakt, so dass die Blechbüchsen unausgesetzt schepperten. Ich war so | |
| empört, dass ich dem Kerl die MP in den Rücken bohrte und ihn anschrie: | |
| Sofort aufhören, dass ist doch eine Schweinerei! Weit und breit die | |
| unberührteste Natur, und Sie machen hier solche Verrenkungen in ihrer | |
| stinkigen Kiste! Aber sofort raus in die Glockenblumen!" Der arme Mann | |
| jammerte mir die Ohren voll. | |
| "Warum haben sie uns so erschreckt, meine Bekannte hat einen Krampf, | |
| und jetzt hängen wir fest. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Wir | |
| berieten erst mal eine Weile, was wir da machen könnten, und dass es | |
| das beste wäre, Der Braut mit einer Nadel in den Schenkel zu stechen, | |
| so als Gegenschock. Aber natürlich hatte keiner eine Nadel dabei. Mir | |
| dauerte das alles zu lange. ich sagte: "Schluss jetzt, wenn ihr die | |
| Nadel haben wollt, dann müsst ihr schon die hundert Meter bis zum | |
| Nähkästchen robben." Die Operation gelang dann auch. Erst als die | |
| beiden den Bunker wieder verlassen hatten, wusste ich, dass ich einen | |
| furchtbaren Fehler begangen hatte. | |
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