Traurig bin ich sowieso
Bettina Wegner / Bettina Wegner: Traurig bin ich sowieso (1982)
Wenn wir unsre Kinder schlagen, |
Ins Gesicht und auf den Po, |
Weil wir uns nicht ertragen: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn ich mich bespitzelt sehe |
Überall und nirgendwo, |
Ganz egal, wohin ich gehe: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn die off'ne Meinung ausstirbt, |
Niemand contra, niemand pro, |
Wenn man nur um Heuchelei wirbt: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn ein Freund in Westen abhaut, |
Jemand lächelt schadenfroh, |
Und kein Mensch dem andren traut: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn man höchste Preise bietet |
Für gedroschnes, leeres Stroh, |
Und man sein Gehirn vernietet: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn das Ideal am Arsch ist |
Und die Hoffnung weiß nicht wo, |
Uns die Langeweile auffrisst: |
Traurig bin ich sowieso. |
Und ich denke an den Dichter |
Der in Optimismus floh, |
Nur für freudige Gesichter: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn die Häuser uns erschlagen |
Mit dem Stacheldrahtniveau, |
Tränen nur bei Saufgelagen: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn ich ans Gefängnis denke, |
Das von uns und anderswo, |
All die abgesess'nen Bänke: |
Traurig bin ich sowieso. |
Wenn ich trotzdem weitersinge |
Trag ich auch das Risiko |
Und den Kopf schon in der Schlinge: |
Traurig bin ich sowieso. |
Mensch, solange wir noch lachen, |
Und wir fühl'n uns nicht allein, |
Und wir können noch was machen: |
Kann ich ruhig traurig sein. |